In Freizeit, Rollstuhltechnik

In letzter Zeit wird eine bestimmte Kategorie der Zusatzantriebe immer spannender. Ich hatte sie schon mal kurz erwähnt, es sind die Zuggeräte und die Schubantriebe.

Doch warum werden diese Produkte immer interessanter und vor allem immer beliebter?

Bestimmt nicht, weil die Produkte immer günstiger werden (jedenfalls noch nicht!) oder von den Kostenträgern unkomplizierter bewilligt werden.

Meine Theorie ist: Rollstuhlfahrer werden immer mobiler bei gleichzeitiger Akzeptanz solcher Zusatzantriebe.

Um das zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen.

Welcher Fußgänger wollte vor wenigen Jahren ein Fahrrad mit Motor fahren? Kaum einer! Man bekam auf diese Frage Antworten wie: „Ich? Ein eBike? Das ist doch nur was für Rentner!“

Und wie ist es heute? Die Quote der eBikes ist mittlerweile auf 25 – 30 % angestiegen (Quelle: Statista). Mountainbiker lassen sich mit Hilfe der Motorkraft den Berg hochtragen, um dann die Abfahrt zu genießen.

Einen Berg? Ach Quatsch! So viele Berge wie der Akku hergibt! Das ist nämlich der nächste Aspekt, man vergrößert seine Reichweite mit Motorunterstützung ungemein.

Auch die Fahrt zur Arbeit ist mit einem eBike viel angenehmer als mit einem herkömmlichen Fahrrad. Man kommt nicht total verschwitzt im Büro an und braucht dann nicht den ganzen Tag, um wieder fit zu werden für die Heimfahrt.

Ok, vielleicht habe ich das jetzt etwas überspitzt beschrieben, aber du weißt, worauf ich hinaus will.

  1. Das Leben mit einem eBike ist angenehmer und
  2. eBikes sind inzwischen völlig anerkannt und akzeptiert

Die Geschichte der eBikes kann man 1:1 auf Handbikes übertragen.

Meine ersten Bikes waren ohne Motor. Es war mühselig und hat viel Überwindung gekostet, damit eine Runde zu drehen und die Strecke musste genau ausgesucht werden. Gab es eine „mini“ Steigung auf der Strecke, war Feierabend.

Dann kam die Umstellung auf ein Handbike mit Motor, was für ein Spaß, was für eine Reichweite! Keine Überlegung mehr, wo man lang fährt. Eine kleine Runde abends nach der Arbeit sind dann schnell 15 – 20km.

Fahrräder mit Motor bringen also eine Menge Vorteile mit sich, für Fußgänger wie auch für Rollstuhlfahrer.

Aktuell ganz groß in den Medien sind die E-Scooter für Fußgänger, also die Tretroller mit Motor. Wofür sind diese Produkte gedacht? Sie sollen die Mobilität erhöhen! Sie sollen die Menschen schnell und ohne Anstrengung durch die Stadt befördern, ins Büro, zur Bahn, wohin auch immer. Und scheinbar funktioniert es, die Nachfrage ist groß.

Das Pendant zum E-Scooter für Fußgänger, ist der Zusatzantrieb für Rollstuhlfahrer. Und dabei ist es egal, ob Zuggerät oder Schubantrieb.

E-Mobilität ist in der Gesellschaft also ein Riesen Thema- warum soll man als Rollstuhlfahrer sich nicht dieser Technik bedienen?

Unterschied zwischen Zuggerät und Schubantrieb

Zuggerät

Ein Zuggerät ist ein kleines Rad, das von einem Motor angetrieben wird. Dieser Antrieb sitzt an einem Gestänge, an dem auch der Akku befestigt ist. Oben drauf befindet sich der Lenker mit Bremshebel und Gashebel.

„Kleines Rad“ ist übrigens relativ. Die Radgrösse reicht von ca. 15cm bis zu 20“ Rädern.

Wenn man von einem E-Scooter das Brett zum drauf stellen und alles was da hinten dran hängt abschneidet, bleibt vorne im Grunde ein Zuggerät übrig

Um das Zuggerät am Rollstuhl zu befestigen, gibt es abhängig vom Hersteller verschiedene Befestigungsmöglichkeiten über Adapter und/oder Klemmungen.

Das Zuggerät wird am vorderen Teil des Rollstuhls angekoppelt und die Vorderräder des Rollstuhls werden angehoben. Das Gespann Rollstuhl/Zuggerät steht dann auf drei Rädern.

Mit Hilfe eines Drehgriffes oder Hebel am Lenker wird Gas gegeben. Gebremst wird mit einem Fahrradbremshebel, der sich ebenfalls am Lenker befindet oder, wenn das nicht möglich ist, auf Grund eingeschränkter Handfunktion, ein angepasster Hebel, den es bei den meisten Herstellern als Option gibt.

Schubantrieb

Ein Schubantrieb besteht aus einem Gehäuse, in dem Motor, Akku, Elektronik und ein kleines Rad integriert ist. Das Gehäuse wird mit Hilfe von Adaptern mittig an der Rollstuhlachse befestigt. Über das kleine Rad wird der Rollstuhl angeschoben. Der Antrieb wird je nach Hersteller über verschiedene Eingabegeräte eingeschaltet und treibt den Rollstuhl an bis er wieder deaktiviert wird. Ein Bremsen und Steuern ist mit Hilfe des Antriebs nicht möglich, gelenkt und gebremst wird der Rollstuhl, wie üblich, über die Greifreifen.

Da der Schubantrieb über die Adapter nur aufgesteckt ist, kann er sehr schnell und ohne Werkzeug entfernt werden, zum Beispiel beim Transport im Kfz oder, wenn er nicht benötigt wird.

Was sind die Einsatzgebiete dieser Zusatzantriebe?

Wenn wir uns auf den Zugantrieb konzentrieren, gibt es meiner Meinung nach zwei unterschiedliche Einsatzgebiete.

1. Für große Entfernungen geeignet

Diese Zuggeräte sollten ein großes Vorderrad, einen leistungsstarken Akku und somit eine große Reichweite haben. Sie werden verwendet, wenn man mit dem Rollstuhl eine größere Entfernung überbrücken will.

2. Möglichst flexibel

Flexibel beutet in diesem Fall einerseits, eine kompakte Bauweise, um das Zuggerät vielleicht im Gepäckfach eines Flugzeugs zu transportieren und andererseits, leistungsstark genug, um damit eine kleine City Tour zu unternehmen.

Was man genau braucht, muss jeder für sich entscheiden. Ich finde aktuell- für mich- die kompakten Zuggeräte sehr interessant. Mir fällt da spontan die folgende Situation ein, wo solch ein Gerät sehr hilfreich gewesen wäre:

Wir waren auf einem Kreuzfahrtschiff einer US Rederei. Auf den meisten Decks lag ein superdicker Teppich, so dass ich dort kaum alleine vorwärts kam. Da eine kleine Motorunterstützung: und der Teppich wäre mir egal. Gleichzeitig könnte man es super bei Ausflügen nutzen und müsste in verschiedenen Situationen nicht geschoben werden.

Ob es lieber ein Zuggerät sein soll, oder doch lieber ein Schubantrieb, ist so eine Grundsatzfrage, und hängt stark mit dem Einsatzgebiet zusammen. In der von mir gerade beschriebenen Situation, wäre ein Schubantrieb nicht so praktisch, da man ständig die Richtung über die Greifreifen korrigieren müsste.

Wie steht es mit der Sicherherheit?

Wenn man beide Antriebstypen vergleicht, ist dann einer sicherer?

Ich bin Tetraplegiker und habe beide Antriebe schon mal gefahren. Wenn ich alle möglichen Situationen mit einbeziehe, fühle ich mich mit einem Zuggerät sicherer.

Ein Schubantrieb ist cooler, keine Frage! Damit kann man wunderbar durch die Gegend cruisen- WENN der Boden relativ eben ist. Sicherer wird es auch, wenn man entweder ein Freewheel benutzt oder sehr viel Funktion hat. Ansonsten kann man recht schnell mit den Vorderrädern irgendwo hängen bleiben und, bei zur Seite geneigten Wegen, muss man ständig über die Greifreifen die Richtung korrigieren. Wenn es bergab geht, hilft der Schubantrieb auch nicht, da er, wie der Name sagt, nur schiebt, er bremst nicht. Man muss nach wie vor den Rollstuhl über die Greifreifen bremsen.

Das sind die Gründe, warum ich sage, ein Zugantrieb gibt mir mehr Sicherheit. Nützlich ist auch der Lenker, den man vor sich hat, und an dem man sich bergab etwas abstützen kann.

Wer übernimmt die Kosten für diese Zusatzantriebe?

Auf dem Markt gibt es aktuell zwei Schubantriebe, den SmartDrive MX2 und den Smoov. Beide besitzen noch keine HMV Nr. (Stand 14.07.19), beide werden jedoch in Einzelfällen von den Kassen übernommen.

Bei den Zugantrieben gibt es verschiedene Modelle mit HMV Nr., zum Beispiel der mySKATE. Natürlich wisst ihr, dass“ eine HMV Nr. keine Garantie ist, dass eine Krankenkasse die Kosten übernimmt, aber es erleichtert die Sache!

Weiterhin besteht natürlich die Möglichkeit, einen Zusatzantrieb aus der eigenen Tasche zu bezahlen. Einige Produkte sind ab ca. 2500€ zu haben, im Vergleich zu anderen Hilfsmitteln, eine Aufwendung die für viele machbar ist.

Einen speziellen Tipp, welches der beste Antrieb für dich ist, kann ich diesmal nicht geben. Das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Gern darfst du in den Kommentaren unten weitere Fragen stellen.

Anzeigen von 9 Kommentaren
  • Rainer Wiesneth
    Antworten

    Bei den Zuggeräten gibt es auch noch den e-pilot von Alber. Der hat auch ne HMV Nummer.

    • Fee Behrens
      Antworten

      Bekomme demnächst einen E-Pilot von Alber.
      Hatte diesen 1 Woche zum Testen zuhause.
      Er hat zwar eine Hilfsmittelnummer und trotzdem bräuchte ich einen RA das ich dieses Zuggerät bekomme.
      Das Problem an dem Teil ist der Schwerpunkt ,ruck zuck haut es dich aus dem Rolli ,da er bis zu 20 km/h fahren kann ist er versicherungspflichtig und benötigt eine TÜV Abnahme die richtig richtig teuer ist und wohl nicht von meiner KK übernommen wird.Weiss auch noch nicht ob ich Helmpflicht habe ? Ansonsten freue ich mich auf das Zuggerät, vorallem weil es Anstiege bis 12% locker schafft .Es fährt auf Wiese,Schotter ,Sand habe ich nicht ausprobiert. Doch endlich kann ich bei Fahrradtouren dabei sein .Zuggeräte unter 10 km/h hätten für mich keinen Sinn gehabt ,da es dann unmöglich gewesen wäre mit Fahrrädern mitzukommen. Ein wenig Spaß muss sein.Sinn des Ganzen aber ist ohne Zuggerät hätte ich mit Rolli zwar aus dem Haus gekonnt wäre aber normal mehr zu unserer Haustüre gekommen da es mit 11% die Auffahrt zur Haustüre hochgeht.

  • Heide Rappold
    Antworten

    Also ich habe seit ca. 6 Wochen eMotion und fühle mich wunderbar damit. Wie Du schreibst, kann man weite Strecken damit bewältigen. Neulich fuhr ich ungefähr 5 bis 6 km durch den Wald, es ist der Graf-Rhena-Weg zwischen Ettlingen und Bad Herrenalb. Ich kam an der „Kochmühle“ einem Ausflugsrestaurant heraus, es war eine wunderschöne Fahrt. Auch sonst hilft mir der eMotion viel, schnell in die Stadt zur Bank oder Einkaufen zu fahren.
    Früher ohne Antrieb war alles so mühselig, manchmal fuhren mich fremde Leute ein Stück Weges, weil ich ihnen anscheinend leid tat. Seit ich den Antrieb habe, passiert dies nicht mehr. Nur wenn ich mit meinem Freund unterwegs bin, dann schiebt er mich die mögliche Steigung hoch.

    • finanzrolli
      Antworten

      Freut mich das du ähnliche Erfahrungen mit deinem Zusatzantrieb gemacht hast!
      Ja, es ist eine Erleichterung!

  • Hans-Peter
    Antworten

    ich benutze den Swiss Track. Schafft 20% Steigung und reicht 30 KM. Bei 6 km/h Spitze

    • finanzrolli
      Antworten

      Mit dem Swiss Trac hast du wirklich das absolute Arbeitstier! Alt aber bewährt!

  • Fee Behrens
    Antworten

    Bekomme demnächst einen E-Pilot von Alber.
    Hatte diesen 1 Woche zum Testen zuhause.
    Er hat zwar eine Hilfsmittelnummer und trotzdem bräuchte ich einen RA das ich dieses Zuggerät bekomme.
    Das Problem an dem Teil ist der Schwerpunkt ,ruck zuck haut es dich aus dem Rolli ,da er bis zu 20 km/h fahren kann ist er versicherungspflichtig und benötigt eine TÜV Abnahme die richtig richtig teuer ist und wohl nicht von meiner KK übernommen wird.Weiss auch noch nicht ob ich Helmpflicht habe ? Ansonsten freue ich mich auf das Zuggerät, vorallem weil es Anstiege bis 12% locker schafft .Es fährt auf Wiese,Schotter ,Sand habe ich nicht ausprobiert. Doch endlich kann ich bei Fahrradtouren dabei sein .Zuggeräte unter 10 km/h hätten für mich keinen Sinn gehabt ,da es dann unmöglich gewesen wäre mit Fahrrädern mitzukommen. Ein wenig Spaß muss sein.Sinn des Ganzen aber ist ohne Zuggerät hätte ich mit Rolli zwar aus dem Haus gekonnt wäre aber normal mehr zu unserer Haustüre gekommen da es mit 11% die Auffahrt zur Haustüre hochgeht.

    • finanzrolli
      Antworten

      Hallo Fee,
      hattest du schon deine Probefahrt?
      Viele Grüße
      Sascha

  • Jana Schorsch
    Antworten

    Ich habe ein MySkate, perfektes Stadtfahrgerät, klein, flott, wendig. Komme sogar teilweise in Geschäfte oder Kaufhäuser. Zuhause jedoch, bei mir ist bischen hügelig, wird’s an Steigungen mau und ich muss sehr häufig deshalb den Akku aufladen. Aber in der City perfekt, schnell an- und abgeklingt, leicht im Auto zu verladen, da Griffhebel absenkt werden können.

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