Allein durch die Begebenheiten und die Ausstattung des Badezimmers entscheidet es sich oft, ob eine Wohnung oder ein Haus rollstuhlgerecht ist oder nicht. Und das bedeutet unter Umständen, ob man dort wohnen kann, oder sich etwas Anderes suchen muss!
Barrierefrei oder rollstuhlgerecht?
Was macht ein barrierefreies Badezimmer aus und was ist der Unterschied zu rollstuhlgerecht? Wenn man Fußgänger ist, und älter wird, ist es bestimmt irgendwann hilfreich, ein barrierefreies Bad zu haben. Gehen wir davon aus, man kann dann noch laufen, aber man ist einfach „etwas gebrechlicher“.
Eine kleine Kante an der Duschwanne kann noch überwunden werden, wobei dann sofort die Frage aufkommt, was ist eine kleine Kante? Der eine hat vielleicht keine Probleme damit, seinen Fuß 5 cm anzuheben, der nächste schafft auch locker die 10 cm Hürde. Für Andere wiederum sind die 5 cm schon viel zu hoch.
Die nächste Frage ist dann, schafft man es freihändig, oder benötigt man Haltegriffe zum Abstützen?
Ist man dann in der Dusche, stellt sich die Frage, kann man so lange stehen, oder muss man sich hinsetzen? Duschhocker oder ein Duschsitz, der fest an der Wand montiert ist? Ein Duschhocker ist eher eine Notlösung, da er unter Umständen verrutschen oder im schlimmsten Fall sogar umkippen kann. Ein Duschstuhl oder ein Sitz an der Wand ist da die bessere Lösung.
Produkte die empfehlenswert sind:
Man sieht also, wenn man heute jung und fit ist, gerade baut und dabei schon an später denkt, sollte man sehr genau überlegen, was man macht, da man ja noch gar nicht weiß, wie fit man im Alter noch ist.
Benötigt man im Alter dann doch einen Rollstuhl, oder ist jetzt schon Rollstuhlfahrer, ist die ganz Diskussion über die Kantenhöhe hinfällig, denn dann gilt sowieso: Keine Kante!
Tipp: Der Duschbereich sollte befahrbar gebaut sein und keine Kante aufweisen.
Es ist eh sehr verwunderlich, dass sich die Duschwannen besonders hier in Deutschland immer noch so stark durchsetzen. Schaut man sich in anderen Ländern um, wie dort der Duschbereich gestaltet ist, stellt man fest, dass es völlig normal ist, die Dusche befahrbar zu bauen.
Was oft gar nicht beachtet wird, ist die Position der Duscharmatur. Lässt man den Installateur bei der Montage freie Hand, bringt er die Armatur auf der üblichen Höhe an. Das ist aber viel zu hoch, wenn man sie aus dem Sitzen heraus bequem erreichen will.
Der zweite Punkt, den man bei der Position der Duscharmatur beachten sollte, ist die Wand, an der man sie befestigt. Wenn man in einer Dusche aufrecht steht, steht man meist frontal zu einer Wand gerichtet. Und man ist frei beweglich, man kann sich also drehen, wie man will.
Fährt man mit dem Rollstuhl in eine Dusche, steht man oft mit dem Rücken zu einer Wand gerichtet. Wenn sich dann an dieser Wand die Armatur befindet, kann man sie nicht erreichen.
Das gleiche gilt übrigens für die Aufhängung der Duschbrause.
Sehr praktisch sind Nieschen direkt in der Wand für Duschgel, Shampoo, etc.
Badewanne
Der ein oder andere badet lieber als zu Duschen. Ein sinnvolles Hilfsmittel im Alter sind sicherlich Haltegriffe im Badewannenbereich. Haltegriffe unterstützen beim Aufrichten, Hinsetzen und geben Sicherheit. Das mögliche Problem, dass man in die Wanne hinein steigen muss, bleibt jedoch bestehen. Und wenn das schon an einer Duschwanne mühselig sein kann, dann bei einer Badewanne erst recht.
Eine Alternative, die es auch Rollstuhlfahrern ermöglicht, relativ einfach eine Badewanne zu nutzen, sind Badewannenlifter. Das sind kleine akkubetriebene Hubsitze, die per Knopfdruck hoch fahren oder sich absenken, während man darauf sitzt. Man setzt sich quasi auf den Rand der Badewanne, rutscht auf den Sitz und senkt sich ab in das Badewasser.
Sicherlich etwas aufwendiger als Duschen, aber in einigen Fällen kann das eine gute Lösung sein.
Waschbecken
Für Rollstuhlfahrer muss ein Waschbecken auf jeden Fall unterfahrbar sein. Man muss also mit den Knien/Oberschenkeln unter das Waschbecken passen. Wenn das nicht möglich ist, ist man mit dem Oberkörper zu weit vom Waschbecken entfernt. Um diese Unterfahrbarkeit zu ermöglichen, gibt es natürlich wieder spezielle flach gebaute Waschbecken, die selbstverständlich den Preisaufschlag für „Barrierefreiheit“ erhalten.
Es gibt aber auch die Möglichkeit, Standardelemente zu verwenden und damit lässt man sich einen Waschtisch bauen. Diese Variante hielten wir in unseren Badezimmern immer für schöner und praktischer.
Womit man so richtig sein Geld zum Fenster hinaus werfen kann, sind Spiegel. Ich meine die Spiegel, die sich am Waschbecken befinden. Es gibt da eine Firma, die mit „He“ abfängt und mit „wi“ aufhört. Aus irgendeinem Grund befinden sich die Kippspiegel dieser Firma, in den meisten öffentlichen oder gewerblichen Behindertentoiletten. Warum auch immer?
Wir haben einen IKEA Spiegel montiert. Dieser ist groß genug, dass man sich im Sitzen sowie auch im Stehen darin sehen kann.
Toilette
Das wichtigste Kriterium für ein WC ist im Grunde die Höhe, in der es befestigt wird. Man könnte es auch als die Sitzhöhe bezeichnen. Dabei gibt es zwei Varianten:
Variante 1 – Geringe Sitzhöhe: Diese wird verwendet, wenn ein Rollstuhlfahrer nicht oder nur beschwerlich auf das WC umsetzen kann. Durch eine tiefe Montage ergibt sich die Möglichkeit, dass man mit einem Duschrollstuhl direkt über die Toilette fahren kann.
Variante 2 – Hohe Sitzhöhe: Eine hohe Montage empfiehlt sich für ältere Menschen und Rollstuhlfahrer, die sich umsetzen. Der Vorteil für ältere Menschen ist, dass man sich nicht aus einer tiefen Sitzposition mühevoll aufrichten muss. Und der Vorteil für Rollstuhlfahrer bei der zweiten Variante ist, dass sie keinen sehr großen Höhenunterschied zwischen den Sitzflächen überwinden müssen. Verwendet man einen Rollstuhl, sollte neben der Toilette ausreichend Platz sein, um sich dort bequem mit dem Rollstuhl platzieren zu können.
Selbstverständlich sind für die Variante 2 auch Haltegriffe ratsam, da es sonst so gut wie keine Möglichkeit zum Abstützen gibt.
Wer es sehr komfortabel haben möchte oder eine sinnvolle Erleichterung sucht, dem kann ich diese Toilette, wahlweise auch als Toilettenaufsatz erhältlich, empfehlen. Hier wird der Intimbereich geduscht und trocken geföhnt. Wenn jemand sich nicht so gut bewegen oder drehen kann, ist das eine echte Erleichterung.
Wenn diese Tipps, am besten schon beim Hausbau, berücksichtigt, braucht man sich im Alter schon mal keine Gedanken mehr über die Benutzung des Badezimmers oder einen teuren Umbau machen.
Überflüssige Hilfsmittel
Mit dem Spiegel habe ich das Thema „barrierefreies Zubehör“ schon kurz angeschnitten. Auch für Badezimmer werden die verschiedensten, meiner Meinung nach, überteuerten Hilfsmittel angeboten. Das fängt an bei verstellbaren Spiegeln und geht über Badewannen mit Tür, um den Einstieg zu erleichtern, bis hin zu elektrisch höhenverstellbaren Toiletten. Ob man diese Dinge will oder braucht sollte jeder selbst entscheiden. Ich denke in den meisten Fällen kann man darauf verzichten. Was ich als sinnvoll erachte, habe ich schon erwähnt: Das ist der Badewannenlifter, die Haltegriffe, sowie die Toilette mit Spül- und Trockenfunktion. Die Haltegriffe aber bitte an den richtigen Stellen und vor allem in der notwendigen Anzahl. Ich habe schon Badezimmer gesehen, da waren so viele verbaut, dass man sich bequem quer durch den Raum hätte hangeln könnte.
Guten Tag,
in großen Teilen stimme ich mit Ihren Überlegungen überein. Folgendes würde ich aber gerne aus meiner Sicht, der Sicht einer Rollstuhlfahrerin mit Paraplegie, anmerken. Es ist ein großer Unterschied, ob ich ein öffentliches Bad (z.B. Hotel) oder ein privates Bad plane.
1. Im Bauwesen ist die Definition von barrierefrei und rollstuhlgerecht eine andere, als sonst gebräuchlich. Barrierefrei bedeutet allgemein, ohne jegliche Barrieren für jegliche Art von Behinderung und ist damit weit umfangreicher als nur rollstuhlgerecht. Im Bauwesen ist es genau umgekehrt. Hier bedeutet barrierefrei eigentlich barrierearm. Also hauptsächlich keine Stufen und Schwellen. Rollstuhlgerecht beinhaltet keine Stufen und Schwellen, breite Türen, niedrige Türgriffe etc.. Blinde und Hörgeschädigte werden im Bauwesen mit ihren besonderen Bedürfnissen bei dieser Einteilung gar nicht berücksichtigt.
2. Ein klappbarer Duschsitz ist meines Erachtens eine schlechte Lösung, da er beim Duschen zu glatt wird, eine zu geringe Sitztiefe hat, über keine Armlehnen verfügt und nicht in der Höhe verstellbar ist. Dies alles kann ein Duschstuhl mit rutschfesten Beinen (kein Duschhocker oder Duschrollstuhl) leisten. Außerdem kann ich diesen auf Reisen mitnehmen, was einiges erleichtert.
3. Die Höhe des WCs kann in einem privaten Haushalt an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden. In Hotels oder öffentlichen Toiletten sollte es aber maximal 48cm hoch sein. Wer es höher braucht kann mit einer WC-Erhöhung Abhilfe schaffen. Ein zu hohes WC kann nun einmal nicht niedriger gemacht werden. Höhenverstellbare WCs sind eine relativ teure Anschaffung, aber die Überlegung wert.
4. Das gezeigte Waschbecken empfinde ich als zu hoch, da es ein Aufsatzwaschbecken ist. Daraus folgert, dass auch der Spiegel zu hoch beginnt.
5. Stützgriffe sind eine sehr individuelle Sache und stören, wenn sie fest montiert sind manchmal mehr , als dass sie nützen. Ich benötige z.B. gar keine.
Mit lieben Grüßen
Petra Rödel-Ebert
Hallo Frau Rudel-Ebert,
vielen Dank für das ausführliche Feedback.
Absolut keine Frage, die „Welt der Behinderungen“ und damit der jeweilige Anspruch ist riesig.
Auf der Seite „Neu hier?“, erkläre ich deswegen, worüber ich in meinem Blog schreibe, meine Erfahrungen, um Menschen in ähnlichen Situationen Tipps und Motivation zu geben. Ich gebe ihnen also vollkommen recht. Wir können uns zum Beispiel nicht in die Lage eines blinden Menschen versetzen.
Wo ich ihnen Wiederworte geben muss, ist ihr 4. Punkt 🙂
Das Bad auf den Bildern ist mein eigenes Badezimmer, es liefert eine Idee, was man machen kann. Das Waschbecken und der Spiegel ist für mich auf der idealen Höhe.
Aber nochmal, ich finde es klasse, wenn sich ein Leser so viel Zeit nimmt und so einen ausführlichen Kommentar schreibt! So etwas wünsche ich mir, denn das regt auch Diskussionen an.
Viele Grüße
Sascha
Mein Neffe sitzt im Rollstuhl. So ließen meine Schwester und ihr Mann ein barrierefreies Badezimmer bauen. Er kann sich selbstständig waschen und sich problemlos im Bad bewegen.
Barrierefreiheit ist ein großes Thema. Der Beitrag ist sehr gut ausgearbeitet, dem ist nicht viel hinzuzufügen. Menschen mit Behinderung bei der Planung zu helfen und Sie mit viel Info zu versorgen finde ich sehr schön!
Liebste Grüße,
Jasmin
Hallo Jasmin,
freut mich das dir der Artikel gefällt.
Viele Grüße
Sascha