In Rollstuhltechnik

Die Antriebsräder eines Rollstuhls sind alle gleich!

Nein, das sind sie natürlich nicht! Ein Rad kann sehr viele Varianten haben. Das hängt damit zusammen, dass ein Rollstuhlrad aus vielen Einzelteilen besteht. Diese Einzelteile beeinflussen das Design, die Qualität und weitere Merkmale des Rades wie zum Beispiel seine Traglast oder die Größe.

Die meiste Technik stammt inzwischen aus dem Fahrradbereich.

Ein Antriebsrad in Leichtbauweise besteht aus folgenden Einzelnen.

Der Greifreifen

Der Greifreifen ist ein sehr wichtiges Teil. Er ist die Verbindung zwischen dem Benutzer und dem Rad. Er ist mit verantwortlich dafür, wie gut die Kraft des Nutzers auf die Straße übertragen wird. Mit ihm treibt man den Rollstuhl an, bremst und steuert ihn auch. Daher muss der Greifreifen gut auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Benutzers abgestimmt sein.

Greifreifen gibt es aus verschiedenen Materialien, sehr üblich sind diese:

  • Stahl
  • Aluminium
  • Titan
  • Gummi (Diese Greifreifen haben selbstverständlich einen Träger aus Metall)

Alugreifreifen gibt es zusätzlich farblich eloxiert (beschichtet). Auch Stahlgreifreifen gibt es farblich beschichtet, was in meinen Augen allerdings keinen Sinn macht.

Bei den gummierten Greifreifen kann es sein, dass der Träger komplett ringsherum gummiert/beschichtet ist oder das nur ein Teil der Berührungsfläche beschichtet ist. Es gibt auch dort eine Vielzahl von Formen und vor allem Materialien. Gummi ist bekanntlich nicht gleich Gummi.

Ich persönlich habe bis vor ca. vier Jahren auf den Maxgrepp Greifreifen geschworenen, das war eher ein „Gummischaum“. Er war auch noch bei Regen sehr gut nutzbar. Leider wurde die Qualität immer schlechter und ich benutze seitdem, den Curve L Grip. Der hat zwar den Nachteil, dass bei Nässe so gut wie gar nichts mehr geht, aber wenn es trocken ist, ist er super griffig und er ist lange haltbar.

Ein Greifreifen wird mit Hilfe von Schrauben und Muttern (oder nur Schrauben), an der Felge befestigt.

Besonderheiten Greifreifen

Neben der großen Vielfalt an Greifreifen, sollte noch der Überzug für Greifreifen erwähnt werden. Ein Überzug findet häufig Anwendung bei Zusatzantrieben, da diese fast immer mit Stahlgreifreifen ausgestattet sind. Um Menschen ohne Fingerfunktion eine bessere Handhabung zu ermöglichen, wird über den Stahlgreifreifen ein Gummiüberzug gestülpt.

Der Nachteil dieser Überzieher ist, dass sie sich häufig lösen, also quasi wieder „runterziehen“ von dem eigentlichen Greifreifen.

Die Felge

Man kann eigentlich sagen:

schlechte Felge = schlechtes Rad

Gute Felge = gutes Rad

Wobei schlecht und gut für die Qualität, die Haltbarkeit, die Stabilität, etc. stehen.

Inzwischen werden auch im Rollstuhlbereich fast nur noch Hohlkammerfelgen aus Aluminium eingesetzt. Nur vereinzelt bei sehr günstigen Rollstühlen gibt es noch einwandige Felgen.

Der Vorteil von Hohlkammerfelgen ist ganz einfach ihre Steifigkeit, das heißt sie sind stabiler.

Die Vertiefung zwischen den beiden äußeren Flanken nennt man Felgenbett. In diesem Felgenbett werden das Felgenband und der Schlauch aufgenommen, über dem dann der Mantel (Decke) liegt.

Je höher eine Felge gebaut ist, umso steifer ist sie und umso weniger Speichen benötigt sie.

Das Felgenband

Das Felgenband ist ein Kunststoffband, das zwischen dem Schlauch und der Felge liegt. Es schützt den Schlauch vor Beschädigungen, da es die Speichennippel und die Schrauben im Felgenbett abdeckt.

Ohne eine Felgenband würde der Schlauch sehr schnell reißen.

Der Schlauch (Fahrradschlauch)

Vermutlich hat jeder schon mal einen Fahrradschlauch, der mit dem Schlauch im Rollstuhlreifen gleichzusetzen ist, in der Hand gehabt oder gesehen.

Solch ein Schlauch wird aus Kunstkautschuk (Butyl) hergestellt. Über das Ventil wird der Schlauch mit Hilfe einer Luftpumpe oder eines Kompressors aufgepumpt.

Mit der Zeit verliert er auch wieder Luft, einerseits durch die Schlauchwand selbst und andererseits über das Ventil.

Als Ventil werden hauptsächlich Autoventile (Schraderventile) verwendet, was nicht die schlechteste, aber auch nicht die beste Lösung ist.

Besonderheiten Schlauch

Es gibt gibt Räder, die überhaupt keinen Schlauch haben. Das sind sogenannte pannensichere Bereifungen. Dabei besteht die Reifendecke und der eigentliche Schlauch aus einem Teil. Diese Reifen sind in der Regel aus PU-Schaum. Die Vorteile sind, dass sie keine Luft verlieren können, man bekommt keinen Platten, man muss keine Luft nachfüllen. Sie lassen sich allerdings schwerer auf der Felge montieren und, auch wenn die Hersteller damit werben, dass der Rollwiderstand keinesfalls schlechter als bei einer aufgepumpten Luftbereifung ist, empfinde ich das anders.

Der Mantel oder auch Decke

Der Mantel oder auch Decke genannt, ist das äußerste Teil auf der Felge.

Der Reifenmantel hat mehrere Aufgaben:

  • Er schützt den mit Luft gefüllten Schlauch vor Beschädigungen
  • Er bringt den Schlauch in eine kreisförmige Form und hält ihn auf der Felge fest
  • Er sorgt dafür, das alle Kräfte auf den Untergrund übertragen werden

Die Mäntel, die üblicherweise auf Rollstuhlreifen zu finden sind, sind sogenannte Drahtreifen. Auch wenn sie gar kein Draht enthalten. Vielmehr bestehen sie aus einem Fasergeflecht, das dazu dient, den Gummimantel in seine Form zu bringen.

Die Industrie hat seit einigen Jahren erkannt, das Rollstuhlreifen etwas andere Anforderungen haben als Fahrradreifen. Man hat gelernt, dass es ein Nachteil ist, das auf der Lauffläche vorhandene Profil – so wie bei Fahrradreifen üblich – bis auf die seitlichen Flanken zu ziehen. Sieht man sich zum Beispiel mal den wohl gängigsten Mantel an, den Schwalbe Marathon plus, fällt auf, dass die Flanken recht glatt gestaltet sind. Das hat den Vorteil, dass man beim Antreiben des Rollstuhls über die Greifreifen nicht ständig mit Daumen und Handballen über Unebenheiten an den Flanken streift, und die Haut so keinen Schaden nimmt.

Wenn man einen Schwalbe Marathon plus quer durchtrennt, fällt noch etwas auf: Unter der Lauffläche ist eine zusätzliche Schicht (eine blaue Kunststoffmasse) eingearbeitet. Diese Schicht ist eine Pannenschutzeinlage und soll den Schlauch vor Beschädigungen schützen.

Besonderheiten Mantel

Das Angebot bei den Reifendecken ist riesig! Auch, wenn vieles nicht unbedingt Sinn für einen Rollstuhl macht.

Immerhin hat sich bei der Reifengröße schon mal so etwas wie eine Standardgröße durchgesetzt. Die meisten Rollstühle haben Räder der Größe 24×1. Das bedeutet, der Durchmesser beträgt 24 Zoll und die Breite beträgt 1 Zoll. Ein Reifen hat also eine Breite von ca. 25,4mm.

Das Profil auf dem Mantel ist für einen Manuellen Rollstuhl eher unwichtig. Trotzdem ist die Vielfalt sehr groß.

Warum ist das Profil eher unwichtig? Ein Rollstuhl hat nicht die Geschwindigkeit, nicht die Beschleunigung und nicht die Bremsverzögerung, dass es auf das Profil ankommt. Ein grobes Profil, das viel „Gripp“ hat, ist also kein Vorteil. Im Gegenteil, mit einem sehr flachen Profil, hat man eine größere Laufruhe.

Eine Ausnahme gibt es dabei, den Mountainbike Reifen. Aber auch nur, wenn dieser im Winter bei Schnee verwendet wird.

Ganz sinnvoll sind sogenannte Ballonreifen beim Handbiken. Und das ganz besonders, wenn sie so abgestimmt sind, dass ihr Außendurchmesser nicht größer als der einer normalen Bereifung ist. So kann man nämlich zum Biken die Räder wechseln, um etwas mehr Federungskomfort zu haben und trotzdem schleifen die Räder nicht am Kleiderschutz, da sie nicht größer sind.

Die Speichennippel

Mit Speichennippeln spannt man die Speiche zwischen der Nabe und Felge. Technisch gesehen, ist ein Speichennippel eine Hülsenmutter. Der Nippel hat also ein Innengewinde, das passend zu dem Gewinde der Speiche sein muss.

Der Speichennippel sitzt in der Regel im Felgenbett, nur in sehr seltenen Fällen ist es umgekehrt, so dass der Speichennippel in der Nabe und die Speiche in der Felge sitzt.

Beim Einspeichen des Rades werden die Speichen mit Hilfe der Nippel vorgespannt, so dass die Speichen immer auf Zug belastet werden. Das Rad wird dadurch auch gleichzeitig zentriert.

Die Speiche

Eine typische Speiche wird aus rostfreiem Stahl hergestellt und ist ca. 2mm im Durchmesser. Es gibt auch hier wieder verschiedene Varianten, die im Material und auch im Durchmesser variieren.

So gibt es Speichen aus Stahl, die dann wiederum beschichtet sein müssen, damit sie nicht rosten. Die Beschichtung kann dann auch schwarz (schwarz verzinkt) sein, und man kann so Räder komplett in schwarz bekommen.

Ein sehr schönes und leichtes Rad, das für Rollstühle erhältlich ist, hat Speichen aus Kunstfasern (Fiberglass). Diese Speichen gibt es vielen Farben, so dass man damit das Design des Rollstuhls noch mehr verändern kann. Baut man so eine Speiche aus, hat man einen „Bindfaden“ in der Hand.

Wie ist das möglich, das ein Faden einen Rollstuhl tragen kann?

Speichen werden nur auf Zug beansprucht und können daher hohe Gewichte tragen. Die Speiche wird regelrecht zwischen der Nabe und der Felge gespannt. Wenn man einen Rollstuhl von der Seite betrachtet, hängt die Nabe sozusagen immer mit den oberen Speichen an der Felge. Die unteren Speichen könnte man in diesem Moment ausbauen und es würde nichts passieren.

Die Einspeichung kann auf zwei unterschiedliche Arten erfolgen:

  1. Radialgespeicht: Die Speichen werden dabei von der Nabe aus radial angeordnet. Die Speichen sind dadurch etwas kürzer, das Rad ist im Vergleich jedoch nicht ganz so steif und stabil.
  2. Kreuzgespeicht: Die Speichen werden von der Nabe aus tangential angeordnet. Die Speichen überkreuzen sich dabei und das Rad ist stabiler als ein radialgespeichtes.

Besonderheiten Speiche

Speichen werden immer auf Zug beansprucht? Nein! Denn auch hier bestätigt die Ausnahme wieder die Regel. Schaut man sich ein altes Rad an einer Pferdekutsche oder an einem Holzkarren an, ist das etwas anders. Diese Speichen werden auf Druck beansprucht.

Und genau solche Räder gibt es auch bei Rollstühlen, natürlich sind die sehr viel moderner und nicht mehr aus Holz. Bekannt für diese Bauweise sind zum Beispiel dreispeichige Carbonräder.

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch die gefederten Antriebsräder erwähnen. Dabei werden anstelle der Speichen Federelemente eingesetzt. Diese können je nach Hersteller ganz unterschiedlich gestaltet sein.

Die Nabe

Die Radnabe ist das Zentrum des Rades. In der Nabe sitzen zwei Kugellager, so dass sich das Rad überhaupt drehen kann. Die Qualität der Kugellager ist mit dafür verantwortlich, wie leicht sich das Rad dreht.

Die Nabe wird größtenteils aus Aluminium hergestellt und kann so in verschiedenen Farben eloxiert oder beschichtet werden.

Die Steckachse

Mit der Steckachse befestigt man das Rad am Rollstuhl. Es gibt im Rollstuhlmarkt zwei gängige Durchmesser für die Steckachse. Wenn man das Rad oder die Steckachse wechselt, sollte man vorher messen, ob man die 12mm oder die 12,7mm-Variante benötigt, mit bloßem Auge kann man den Unterschied nämlich nicht erkennen.

Es kann sein, das ein Rollstuhlrad seitlich etwas Spiel hat, es also regelrecht klappert. In den meisten Fällen kann man das sehr schnell beheben, da die Steckachsen einige Millimeter in der Länge einstellbar sind. Der Kopf der Steckachse ist eine Mutter und mit zwei Schraubenschlüsseln lässt sich die Länge einstellen.

Um das Rad vom Rollstuhl zu entfernen, muss man am Kopf der Steckachse einen Knopf drücken. Dafür gibt es verschiedene Varianten, so dass man auch ohne Fingerfunktion das Rad entfernen kann.

Der Speichenschutz

Selten – aber manchmal doch sinnvoll – ist ein Speichenschutz. Ein Speichenschutz ist eine Kunststoffscheibe, ungefähr so groß wie der Innendurchmesser der Felge, die außen auf dem Rad befestigt wird. So wird verhindert, dass man mit der Hand in die Speichen greifen kann.

Fazit

Der Krankenkasse gegenüber braucht man leider auch bei Rollstuhlrädern immer wieder Argumente, um das zu bekommen, was man braucht.

Viele Vorteile und damit auch Argumente verstecken sich häufig hinter der Technik. So kann es zum Beispiel für einen Tetraplegiker ein Vorteil sein, ein ganz bestimmtes Rad zu fahren. Selbst,  wenn er den Rollstuhl nicht selbstständig in ein Auto laden muss, wo ein leichtes Rad ein weiterer Vorteil wäre, macht es Sinn, ein sehr leichtes Rad zu fahren. Wird dieses Gewicht im äußeren Teil des Rades eingespart, also bei den Speichen und der Felge, benötigt man weniger Kraft, um das Rad in Schwung zu bringen.

Einen Kommentar hinterlassen

Schreib mir

Wenn du Fragen oder Anregungen zu meiner Seite hast, schreib mir einfach.

Nicht lesbar? Text ändern. captcha txt

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen

Hallo,

möchtest du keinen meiner Beiträge verpassen?

Abonniere meinen Newsletter